Stoffe mit bestimmten gefährlichen Eigenschaften können bedenklich für die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt sein. „Substitution“ bedeutet den Austausch dieser gefährlichen Chemikalien mit sicheren Alternativen – sichere Chemikalien oder Techniken. Substitution kann erhebliche Vorteile für das Unternehmen selbst, für die Umwelt und die Gesundheit von Arbeitern und Verbrauchern bringen. Am Arbeitsplatz ist die Substitution an erster Stelle der Hierarchie der Kontrollmaßnahmen von Chemikalien.

Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel in der rechtlich vorgeschriebenen Risikobeurteilung, in der die Entscheidungsfindung zunehmend gefahrenbasiert und in Anwendung eines obligatorischen Substitutionsprinzips stattfindet sowie mehr Gewicht auf strikte Vorschriften gelegt wird. Die unterschiedlichen Rechtsrahmen müssen besser aufeinander abgestimmt werden; dies wird bereits angegangen.

Aus rechtlicher Sicht wird daher auf die Definition gefährlicher Stoffe gemäß CLP-Verordnung zurückgegriffen. Demnach werden Stoffe hauptsächlich auf Grundlage ihrer harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung gemäß CLP definiert, die entsprechend den inhärenten gefährlichen Eigenschaften der Stoffe erfolgt; aus diesem Grund können sich aus der harmonisierten Einstufung verbindliche Substitutionsbestimmungen in nachgeordneten Rechtsvorschriften ergeben. Die Einstufung und Kennzeichnung selbst bietet bereits einen Anreiz für eine freiwillige Substitution, da nachgeschaltete Anwender und Verbraucher dank der Information über die gefährlichen Eigenschaften eines Stoffes per Kennzeichnung bewusste Entscheidungen treffen können.

Die Gewichtung der Substitutionsmaßnahmen von Unternehmen kann auf der Grundlage der Einstufung und Kennzeichnung ihrer chemischen Erzeugnisse erfolgen. Es gelten außerdem weitere Kriterien, die nicht aus der CLP-Verordnung hervorgehen, insbesondere für PBT/vPvB-Stoffe, und es sind weitere Gesetzesänderungen, wie zum Beispiel in Bezug auf Stoffe mit endokrinen Eigenschaften, im Gespräch. Die SVHC-Kriterien nach REACH basieren auf einem allgemeinen Verständnis davon, welche Eigenschaften am gefährlichsten sind (wobei natürlich Behörden, bestimmte kompetente Stellen oder in bestimmten Zusammenhängen auch Unternehmen im Rahmen ihrer Unternehmenspolitik weitere, nicht rechtsverbindliche Kriterien festlegen können).

Diese Kriterien lauten:

  • Krebserzeugend (CLP-Einstufung in Kategorie 1 oder 2)
  • Erbgutverändernd (CLP-Einstufung in Kategorie 1 oder 2)
  • Fortpflanzungsgefährdend (CLP-Einstufung in Kategorie 1 oder 2)
  • PBT/vPvB (gemäß den in Anhang XIII REACH festgelegten Kriterien)
  • Stoffe mit endokriner Wirkung (rechtliche Kriterien werden aktuell ausgearbeitet, es können Übergangskriterien gelten)
  • Inhalationsallergene (gemäß CLP)

Substitution kann wie folgt definiert werden: „Das Ersetzen oder die Reduzierung gefährlicher Stoffe in Produkten und Prozessen durch Verwendung weniger gefährlicher oder nicht gefährlicher Stoffe oder durch das Erreichen einer gleichwertigen Funktionalität durch technologische oder organisatorische Maßnahmen“ (Lissner und Lohse, 2003). Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeitsdefinition ist die funktionale Gleichwertigkeit, also das Erreichen der gleichen Funktionalität mit weniger gefährlichen Mitteln.

Das kann entweder einfach eine andere Chemikalie oder die Verwendung einer sichereren physikalischen Form der Chemikalie oder aber eine andere technologische oder organisatorische Maßnahme sein. Die Substitution erfolgt in einem schrittweisen Prozess, der mit der Ermittlung der Substitutionsnotwendigkeit und der für die Substitution in Frage kommenden Stoffe innerhalb des Portfolios eines Unternehmens beginnt.

Mögliche alternative Stoffe (oder Technologien) müssen eine Reihe von Kriterien erfüllen. Es gibt jedoch immer mehr Tools und Methoden, mit denen Alternativen einfacher ausfindig gemacht sowie auf Grundlage ihrer gefährlichen Eigenschaften und weiterer entscheidungsrelevanter Kriterien, also Lebenszyklus- und Nachhaltigkeitsaspekte, vergleichend bewertet werden können.

Die Toolbox für die Substitution und die Bewertung von Alternativen (SAAT – Substitution and Alternatives Assessment Toolbox) der OECD bietet eine umfassende Ressourcensammlung zur Substitution von Chemikalien und der Bewertung von Alternativen. Sehr grundlegende erste Hinweise bieten jedoch auch bereits alle bestehenden Beschränkungen und laufenden regulatorischen Kontrollen („behördliche Eintragungen“), mit denen die dauerhafte Verwendung gefährlicher Stoffe verhindert werden soll. Unternehmen sollten daher ihr Chemikalien-Portfolio prüfen und regelmäßig nach möglichen neuen Auflagen Ausschau halten.

Rechtliche Auflagen sind vorhersehbar, da regulatorische Verfahren und Schritte in der Regel transparent sind und es häufig mehrere Jahre dauert, bis sie entsprechende Risikomanagementmaßnahmen nach sich ziehen. Für ein nachhaltiges Chemikalienmanagement und nachhaltige Chemikaliensubstitution ist es entscheidend, über umfassende Kenntnisse zum Regelungsrahmen und der sogenannten „Regulierungskaskade“ zu verfügen.